Die Hospizbewegung Düren-Jülich zum Thema: Assistierter Suizid
Ein besonderer Bürgerdialog mit Prof. Dr. Jean Pierre Wils.

Die Hospizbewegung Düren-Jülich e.V. lud zu einem Bürgerdialog zu dem Thema „assistierter Suizid“ ein. Über 100 Bürgerinnen und Bürger waren dieser Einladung gefolgt. Im Jahr 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht per Urteil die Sterbehilfe erlaubt. Es blieb aber bei der Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen. Die „geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung“ im § 217 StGB verwarf das Bundesverfassungsgericht wieder, stellte es als verfassungswidrig dar, betonte das Recht auf selbstbestimmtes Sterben als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, auch einschließlich hierbei bei Dritten Hilfe zu suchen. Diverse Gesetzesvorschläge zur konkreten Umsetzung scheiterten in den parlamentarischen Beratungen.
Somit gibt es bis heute keine Regulierung oder Überprüfung der Suizidassistenz. Herr Prof. Wils lehrte philosophische Ethik und Kulturphilosophie an der Radboud Universität in Nijmegen in den Niederlanden. In 2021 erschien sein Buch „Sich den Tod geben. Suizid als letzte Emanzipation?“ In seinem Vortrag verwies er zunächst kurz umrissen auf die Selbsttötung in der Geschichte der Menschheit, die zurück reicht, bis in die Antike. Herr Prof. Wils zeigte sehr anschaulich auf, dass die Sinnhaftigkeit des Lebens dann infrage gestellt wird, wenn Biografie und Biologie nicht mehr zur Übereinstimmung kommen. Mit zunehmendem Altern beispielsweise lassen auch unsere Fähigkeiten einer aktiven Alltagsgestaltung nach; hat der Mensch gelernt, mit den veränderten Bedingungen umzugehen und auch dieses Leben dem angemessen zu gestalten? Wann ist für den einzelnen Menschen Leben überhaupt noch ein Leben? Wann hat für den Einzelnen das Leben den Sinn verloren beziehungsweise wird aus einer komplett veränderten Sicht auf Krankheit nicht trotzdem Lebensmut, Sinnhaftigkeit?
Die Diskussion mit den anwesenden Teilnehmern wurde kompetent von Frau Gerda Graf, 2. Vorsitzende der Hospizbewegung Düren-Jülich, und Herrn Prof. Dr. Kalb, Jurist und Beiratsmitglied der Hospizbewegung, moderiert. Sehr viele Fragen wurden gestellt und immer wieder die Frage, wie man am besten den definitiven Abschied vom Leben kalkulieren könnte, und immer wieder kam es zu der Frage, wer denn dann das notwendige medikamentöse Rezept ausstellen würde, ob man auch wirklich nicht allein gelassen werde. Einerseits klang an, dass man am liebsten schon „prophylaktisch“ den assistierten Suizid vollziehen möchte, um sich einem langen Leiden nicht ausgesetzt zu fühlen. Andererseits legte eine Teilnehmerin in einer sehr persönlich gehaltenen Darstellung nahe, wie wertvoll ihr Leben bis heute sei, trotz Verlustes eigenen Sohnes durch Suizid und trotz schwerster Krankheit ihres Mannes, den sie im hohen Alter selbst pflegt.
v.l.n.r.: Graf Gerda (2.Vors.) Prof. Jean-Pierre Wils, Prof. Heinz-Jürgen Kalb (Beirartsmitglied)
In der sehr engagiert geführten Diskussion wurde sichtbar, dass Autonomie des Menschen letztlich nur auf dem Boden der Fürsorge entstehen kann. Es gilt weiterhin das Recht auf selbstbestimmtes Leben, aber auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, das einer besonnenen Regelung in Deutschland zugeführt werden sollte. Bei diesem Thema gewinnt allerdings die Prävention ein immer höheres Gewicht. Und dies wiederum beinhaltet, dass wir uns mit sehr viel mehr Kräften als bisher an die Seite der Menschen stellen müssen, die die Sinnhaftigkeit in das Leben verloren haben.
Nach knapp 2 Stunden blieben noch sehr viele der Teilnehmer zum Imbiss, um das Gehörte in Gesprächen weiter zu vertiefen. Es war ein außerordentlich wichtiger Abend, der seine Fortsetzung finden sollte.
(Dr. Hildegard Schain, Beiratsmitglied)