Die Hospizidee
Der Mensch des 21. Jahrhunderts hat den Umgang mit Tod und Sterben zunehmend aus der Geborgenheit des früher zuständigen Familienverbandes ausgegliedert und in die Anonymität professioneller Dienste in Krankenhäusern und Altenheimen delegiert.
Der Tod wird nicht mehr als integraler Bestandteil des Lebens begriffen, und die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit wird mehr und mehr aus dem Alltagsbewusstsein ausgeblendet und auf spätere Zeiten verdrängt.
Die immer schneller fortschreitende Ausweitung medizinischer Möglichkeiten hat einerseits zu einem irrationalen Glauben an die Machbarkeit aller Dinge geführt, gleichzeitig aber auch die Angst geschürt, am Lebensende einmal seelenlosen Apparaten ausgeliefert zu sein. Zudem sind die Grenzen ärztlicher Kunst am Ende menschlichen Lebens verwaschener und unschärfer geworden. Der Traum von der Unsterblichkeit scheint damit näher gerückt.
Die Unsicherheiten im Grenzbereich zwischen Leben und Tod zwingen den Arzt heute mehr denn je zur Prüfung seines Gewissens und zur Frage nach dem Sinn seines Handelns. Im Entscheidungskonflikt zwischen dem Einsatz aller Mittel bis zuletzt und dem Gewährenlassen der Natur entscheidet sich der Arzt aus verständlicher Angst vor dem eigenen Schuldigwerden oft für den ersten Weg. So wird das Ringen um das schwindende Leben häufig bis zum letzten Atemzug geführt und der eintretende Tod von Seiten des Arztes oft als medizinische Niederlage oder persönliches Versagen empfunden.
Dieser unnatürliche Umgang mit dem so wichtigen letzten Abschnitt seines Lebens raubt dem Sterbenden die Möglichkeit zur selbstbestimmten Auseinandersetzungen mit seinem Lebensende. Sie nimmt seinen Angehörigen und ihm die notwendige Zeit und Gelegenheit für die Regelung letzter Dinge. Die wachsenden Vorbehalte gegenüber der Apparatemedizin haben die seit längerem verdeckt geführte Diskussion um die Sterbehilfe öffentlich gemacht.
Der sich neuerdings abzeichnenden fatalen Tendenzwende im Umgang mit Tod und Sterben begegnet die weltweite Hospizbewegung mit ihrem ganzheitlich ausgerichteten Konzept einfühlsamer lindernder Pflege, Angst mindernder menschlicher Zuwendung und medizinischer Symptomkontrolle. Sterbende sollen erleben, dass ihrem Leben nicht mehr Tage abgerungen werden, sondern dass ihren letzten Tagen mehr Leben gegeben wird. Werden Sterbenskranke so begleitet, kommt der Wunsch und das Verlangen nach vorzeitiger Lebensbeendigung gar nicht erst auf.